1979 - 1991

 

1979 Ver�ffentlichung "Der Mensch erscheint im Holoz�n", die Erz�hlung von einem alten Mann, der durch ein Unwetter von seiner Umwelt abgeschnitten wird. Allein in seinem Haus, versucht er - auch im Wortsinn, mit Notizen an der Wand - festzuhalten, was er noch f�r wissenswert erachtet, auch wenn er weiss, dass eine Sintflut nur Steine zur�cklassen w�rde: Die Steine brauchen sein Ged�chtnis nicht." Die Erz�hlung wird in den USA zur besten des Jahres 1980 erkoren. In Z�rich lehnt MF die Ehrengabe aus dem Literaturkredit des Kantons Z�rich ab, da er sich mit der Politik des �berreichers, des Regierungsrates Alfred Gilgen, nicht einverstanden erkl�ren kann.

Die Urauff�hrung von "Triptychon" findet in Lausanne unter der Regie von Michel Soutter auf franz�sisch, die deutsche Erstauff�hrung 1981 im Wiener Burgtheater statt.

Scheidung der Ehe mit Marianne; MF bezieht als Nebenniederlassung eine Wohnung an der Stockerstrasse 39 in Z�rich.

1980 Ehrendoktor des Bard College (Staat New York).
1981 Zu seinem 70. Geburtstag erscheint die Festschrift "Begegnungen".

Die Max-Frisch-Stiftung, 1979 gegr�ndet, beginnt mit der Einrichtung des Max-Frisch-Archivs an der ETH Z�rich. Es wird 1983 �ffentlich zug�nglich.

Richard Dindo dreht den Film "Max Frisch, Journal I - III. Eine filmische Lekt�re der Erz�hlung Montauk", ein Dokument �ber MF als Schriftsteller und Mensch, seinen pers�nlichen Umgang, seine politische Einstellung.

MF kauft ein Loft in New York (Verkauf 1984).

1982 reisen MF und Peter Noll, der bereits schwer krank ist, nach �gypten. Die Rettungsflugwacht bringt die beiden nach einem Zusammenbruch Nolls wieder in die Schweiz. MF besucht seinen Freund fast t�glich, sie reden �ber Freitod, Sterbehilfe und bewusstes, w�rdiges Sterben - Noll hatte in Kenntnis seines Zustands auf eine Operation verzichtet, um nicht als entm�ndigtes Objekt der Medizin zu sterben. Im Oktober, kurz nach MF's Abreise in die USA, stirbt Peter Noll; MF h�lt wie vereinbart, die Grabrede.

"Blaubart. Eine Erz�hlung" erscheint, worin eine Edelprostituierte, die sechste Gattin, der Dr. Schaad, ermordet wird. Ihr Exmann - unterdessen zum siebten Mal verheiratet - hat sich vor Gericht zu verantworten und sitzt zehn Monate in Untersuchungshaft. Das Gericht verh�rt verschiedenste Zeugen - MF hatte als Recherche 1980 einen Mordprozess in Z�rich verfolgt -, von seinen ehemaligen Frauen �ber Zufallsbekanntschaften bis zu Dr. Schaad absolut fremden Menschen. Was der Staatsanwalt auf diese Weise an biographischem Material zusammentr�gt, h�lt Dr. Schaad f�r eine beachtliche Leistung. Die Zeugenaussagen passieren im Ged�chtnis des inzwischen mangels Beweis Freigesprochenen Revue. Bez�glich seiner Frauen erkennt er: "Es gibt kein gemeinsames Ged�chtnis." Wie weiterleben nach diesem Prozess? Billard hilft, und Wandern, Verreisen und Alkohol helfen gar nichts, Zeitunglesen nur kurzfristig.

Ehrendoktor der City University of New York.

1983 Wechselt seine Z�rcher Adresse an die Stadelhoferstrasse 28.
1984 Ernennung zum "Commandeur dans l'ordre des arts et des lettres" (Frankreich).
1985 An den 8. Soloturner Literaturtagen spricht MF: "Am Ende der Aufkl�rung steht das Goldene Kalb." Er kommt zum Schluss, dass die Aufkl�rung im Kantschen Sinn - der vor allem den Mut fordert, sich seines Verstandes zu bedienen - gescheitert sei, da in der kapitalistischen Gesellschaft nicht Denken, sonder Glauben gefragt sei. Die sittliche Vernunft k�nne nur auf Widerstand aufbauen, deshalb: "Ein Aufruf zur Hoffnung ist heut ein Aufruf zum Widerstand." Er erkl�rt, mit dem Schreiben aufgeh�rt zu haben. "M�de, ja. Verbraucht." Diese Worte werden als Resignation interpretiert, wogegen sich MF in einem Gespr�ch mit der linken Wochenzeitung WoZ wehrt. Wie kann ein Aufruf zum Widerstand als Resignation verstanden werden? Verzagen am �ffentlichen Verstand ja, und k�rperliche M�digkeit, aber die Entt�uschung �ber den Lauf der Welt sei kein Widerruf der Hoffnung.

MF leidet erstmals an Asthma und beginnt sich vor der �ffentlichkeit zur�ckzuziehen. Regelm�ssig f�hrt er im Winter zur Kur. Philipe Pilliod dreht den mehrst�ndigen Dokumentarfilm mit und �ber MF: "Gespr�che im Alter".

1986 verwendet er den Neustadt-Literaturpreis der Universit�t Oklahoma f�r den Bau einer Schule in Nicaragua, was durchaus als Protest gegen die amerikanische Unterst�tzung der Contras verstanden werden soll.
1987 Ehrendoktorat an der TU Berlin.

MF wird nach Moskau zum "Forum f�r eine atomwaffenfreie Welt und das �berleben der Menschheit", dem Friedenskongress unter Teilnahme des Pr�sidenten Gorbatschow, eingeladen. In seinem Votum fordert er die Abkehr von jeglicher Ideologie. Was er 1985 mit Widerstand bezeichnet hatte, formuliert er jetzt so: "Ohne einen Durchbruch zu alternativem Denken gibt es kein n�chstes Jahrhundert. Ein Aufruf zur Hoffnung ist heute ein Aufruf zu alternativem Denken. Ich sehe zurzeit wenige Staatsm�nner im Amt, deren Geist dazu bereit und f�hig ist. Wir sind hierher gekommen, so meine ich, in der grossen Erwartung, dass hier ein alternatives Denken m�glich werde dank Gorbatschow".

1989 Am 26. November soll das Volk dar�ber abstimmen, ob die Schweiz noch eine Armee braucht oder nicht. Sieben Jahre nach seiner letzten Ver�ffentlichung und nach mehreren �usserungen, er wolle das Schreiben aufgeben, erscheint MF's Buch "Schweiz ohne Armee? Ein Palaver" im z�rcherischen Limmat-Verlag. MF hat nicht aufgeh�rt, �ber die Schweiz, die Armee und deren vermeintliche Immunit�t gegen den Faschismus nachzudenken - 1989 feiert die Armee �brigens den f�nfzigsten Jahrestag ihrer Mobilmachung mit der Veranstaltung "Diamant". Monatelang h�lt sich das "Palaver" zuoberst auf den Bestsellerlisten. MF gibt sich hinter dem Alten zu erkennen, der seinem Enkel aus dem "Dienstb�chlein" vorliest. Schliesslich wirft er es in den Kamin. MF hat die Initiative zu Abstimmung nicht unterschrieben, weil er sie f�r unproduktiv hielt. Kurz vor der Abstimmung lanciert er jedoch eine private Plakation, in der der Grossvater seinem Enkel die eindeutige Antwort gibt: Ja zur Abschaffung der Armee. Das Schauspielhaus Z�rich - nicht ohne heftige Kontroversen im Verwaltungsrat - und das Th��tre Vidy, Lausanne, f�hren die B�hnenversion "Jonas und sein Veteran" am 19. Und 20. Oktober einmal in deutscher und einmal in franz�sischer Sprache auf. Am 20. November h�lt MF im Basler Theater die Rede "Der Friede widerspricht unserer Gesellschaft", worin er den Umstand, dass die Armee endlich zu einem �ffentlichen Thema geworden ist, als politischen Erfolg wertet. Der Friede sei nur in einer Gesellschaft ohne Feindbilder denkbar, und der Abschied vom milit�rischen denken, das Konflikte mit Befehlen zu bew�ltigen versuche, sei zwingend, "der Glaube an eine M�glichkeit des Friedens - als einzige M�glichkeit f�r ein �berleben des Menschengeschlechts - ist ein revolution�rer Glaube."

In D�sseldorf nimmt er den Heinrich-Heine-Preis entgegen.

1990 Walter Obschlager gibt den Band "Max Frisch. Schweiz als Heimat?" heraus.

Alexander J. Seilers Film "Palaver, Palaver" dokumentiert die Armeeabschaffungsinitiative unter Miteinbezug von "Schweiz ohne Armee?". Er zeichnet die politische Auseinandersetzung um die Schweizer Armee, die offizielle Gedenkfeier "Diamant", die inoffizielle Gegenveranstaltung "Klunker" und die Volksabstimmung auf. Dabei verfolgt er den Text "Jonas und sein Veteran" von der ersten B�hnenproben bis zur Premiere.

MF's Gesundheitszustand hat sich weiter geschw�cht, und im M�rz erh�lt er den medizinischen Befund: Darmkrebs und Metastasen auf der Leber. Er unterzieht sich einer Operation und besorgt sich Medikamente zur Sterbehilfe.

1991 Anfang des Jahres sieht MF Volker Schl�ndorffs Verfilmung seines "Homo Faber". Der Film endet, nach Absprache mit MF, nicht nach der Vorlage: Faber muss mit seiner Vergangenheit weiterleben. Der Delegierte f�r die 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft, Marco Solari, l�dt MF zu einem offiziellen Festakt ein, aber MF kann und will am Geburtstag eines Staates, der Geheimakten �ber seine B�rger in Aus�bung ihrer demokratischen Pflichten und Recht anfertigt (Fichen, Dokumente "der Ignoranz, der Borniertheit, der Provinzialit�t"), nicht teilnehmen. Sein Reisepass sei heute die einzige Verbindung zu diesem Staat, "1848 eine grosse Gr�ndung des Freisinns, heute unter der jahrhundertelangen Dominanz des B�rgerblocks ein verluderter Staat". Die WoZ ver�ffentlicht den Briefwechsel Frisch-Solari.

MF bestimmt den Ablauf seiner Gedenkfeier, die in der St-Peter-Kirche in Z�rich stattfinden soll. Er glaubt, dass die Seele nicht unk�rperlich ist, dass sie beim Tod zerf�llt; deshalb solle man seine Asche verstreuen, der Luft und der Erde �bergeben. Noch in seinem letzten Traum soll MF einen Plan entworfen haben: ein Kapit�nsschiff. Dessen Kommando er nicht mehr �bernimmt.

Max Frisch stirbt am 4. April.

Am 9. April findet die Feier statt, Karin Pilliod-Hatzky, Michel Seigner und Peter Bichsel sprechen die Worte des Gedenkens. "Nur jetzt nicht die Wut verlieren", wiederholt Bichsel mehrmals die Worte des Philipp Hotz.

Zu seinem 80. Geburtstag gibt der Suhrkamp-Verlag eine neue, zweib�ndige Ausgabe der Tageb�cher heraus. Am 15. Mai feiert Z�rich den Max-Frisch-Tag. Unter anderem gibt Achim Benning die bereits im M�rz angek�ndigte Ernennung Max Frischs zum Ehrenmitglied des Schauspielhauses Z�rich bekannt.